Beckys Ausbildungs-Credo: In der Ruhe liegt die Kraft
Als Trainerin ist Rebecca Heinrich längst über die Grenzen ihrer Baden-Württembergischen Heimat hinaus bekannt, begleitet sie doch seit vielen Jahren sowohl im Leistungs- wie auch im Breitensport sehr erfolgreich eine Vielzahl von Schützlingen im ganzen Land. Nachdem sich Becky zudem als Fan unserer Viking Masters geoutet hat und obendrein mit ihrem Label Gangwerkstatt die bevorstehende 2025er Winterserie unterstützt, hatten wir die Gelegenheit zum Gespräch, um ihre eigene Geschichte, Motivation und Ziele zu entdecken.
EYJA: Starten wir mal ganz am Anfang. Wie hat alles begonnen mit Deiner Beziehung zu den Pferden?
Becky Heinrich: Tatsächlich habe ich mit Großpferden angefangen, ganz klassisch mit Voltigieren und Longieren, und vor 30 Jahren, als ich 8 war, durfte ich zum ersten Mal gemeinsam mit meiner Cousine Ferien auf einem Islandpferdehof machen. Das war am Mönchhof. Ich hatte damals das große Glück, an ein Pferd zu geraten, das tatsächlich nur tölten konnte. Das fand ich so stark, da hat mich gleich das Fieber gepackt und diese Energie hat mich so begeistert, dass ich auch in allen weiteren Ferien dort war. Es wurde aber umso intensiver, als meine Mutter dann auch dort gearbeitet hat und ich schon in der Schulzeit täglich dort war. Pferde rausbringen, Pferde einfangen, Importpferde an ihre neue Heimat gewöhnen, das war eine tolle Zeit und eine prägende Erfahrung für mich.
Mit 17 habe ich angefangen zu unterrichten, was mich nochmal stärker gepackt hat, wie faszinierend es war und ist, diese Beziehung von Mensch und Pferd so nah begleiten und beim besseren Kennen- und Verstehenlernen helfen zu dürfen. Unsere Pferde geben uns soviel und es ist mit diesem Feuer und Charakter einfach überwältigend und ganz anders als bei den Großpferden. Viel natürlicher und viel unmittelbarer, da wollte ich auf jeden Fall dabei bleiben. Neben der Ausbildung zur Handelskauffrau konnte ich auch die Trainerausbildung im IPZV durchlaufen und hab’ mich mit 22 Jahren selbstständig gemacht. Meiner Heimat im Nordschwarzwald bin ich über all die Jahre aber treu geblieben.
EYJA: Wenn Du aus heutiger Sicht Deine Motivation als Trainerin beschreibst oder Deine Ziele in der Ausbildung, was ist Dir besonders wichtig?
Becky Heinrich: Mir ist es sehr wichtig, die ganz individuelle Situation jeder Pferd-Reiter-Kombination zu verstehen und dafür einen passenden Weg zu finden. Da gibt’s keine Schablone, die für alle passt und gilt, und deswegen muss man sich dann auch als Trainer Zeit nehmen. Jedes Individuum muss doch gemäß seiner eigenen Fähigkeiten und Stärken, aber eben auch gemäß seiner Herausforderungen und Schwächen gefördert werden, das ist mein Ziel.
Ob es dann allein ums Pferd geht oder um einen Freizeit- oder Sportreiter, ich will dabei helfen, die Kommunikation zu fördern. Das steht bei mir im Fokus, damit wir dann eben auch gemeinsam aus jeder Kombination das Beste herausholen. Beide sollen einander verstehen und das verstärken, was gewünscht ist, gleichzeitig natürlich im Optimalfalle das reduzieren oder abstellen, was nicht gewünscht ist. Und wenn ein Reiter nach dem Unterricht dann mit einem Lächeln absteigt, ist das auch für mich die schönste Belohnung.
Man muss aber ehrlich sein: manchmal passt’s selbst bei aller Geduld und Mühe einfach nicht. Dann hilft es eben nur, entweder den eingeschlagenen Weg deutlich zu verändern oder sogar sich zu trennen. Ich will ja nicht so tun, als klappt immer alles zu 100 Prozent. Hier muss man also aufmerksam bleiben und auch bereit sein, wenn es erforderlich ist, neue Wege zu gehen und schon dabei und nicht erst mit Medaillen und Schleifen eigene Erfolge zu erkennen und zu feiern. Wie sagt man so schön: der Weg ist das Ziel. Ich finde, da ist viel Wahres dran.
Du fragtest ja vorhin nach meiner Motivation, und genau die entsteht und wächst ja auf einem solchen Weg, denn zu erleben, wie sich etwas entwickelt, wenn die Kommunikation funktioniert, da geht mir das Herz auf. Ob das dann auf einer so großen Bühne ist wie damals mit Olivia und Alvar, als sie Weltmeister bei den Junioren wurden, oder im Freizeitbereich, wo ich die erreichten Ziele mit meinen Schülern genauso feiern darf und alles das hoffentlich mit mehr Zeit und Geduld, etwas Gutes entstehen zu lassen, dieses Gefühl ist mein Antrieb, am Ball zu bleiben und damit jeden Tag neue Freude und Energie zu gewinnen.
EYJA: Welche Quellen nutzt Du für Dich selbst zur Fortbildung?
Becky Heinrich: Gute Frage, denn natürlich sollten auch wir Trainer uns schulen und nicht auf der Stelle treten. Ich nehme selber regelmäßig Unterricht, denn ich will mich selber schulen, gerade weil ich weiß, wie gut mir selbst das tut, um besser zu werden, und weil mir auch der Blick auf andere Reitweisen soviel bedeutet. Man kann dort, wenn man offen ist und bereit ist zu lernen, überall etwas mitnehmen. Im Laufe der Jahre bin ich selber in der Dressur aktiv gewesen, kenne soetwas wie Barrel Races vom Westernsport nicht nur vom Zugucken, hab’ natürlich auch weitere Gangpferde wie Tennessee Walker und Aegidienberger geritten. Am meisten liebe ich unsere Islandpferde, ganz klar, aber es ist ganz allgemein die Liebe zum Pferd, die mich persönlich weiterbringt und die mich dann auch als Trainer andere Reiterinnen und Reiter weiterbringen lässt.
Meine Marke hab’ ich ja ganz bewusst Gangwerkstatt genannt, denn ich möchte meinen Schülern das passende Werkzeug an die Hand geben, damit sie mit allen fünf Gangarten, aber auch mit dem allgemeinen reitereichen Rüstzeug drumherum gut klarkommen. Und was meine Faszination für den Blick über unseren eigenen Tellerrand betrifft: man glaubt häufig gar nicht, wie viele Parallelen es gibt zwischen den unterschiedlichen Reitweisen und Pferderassen bzw. wie viele Ideen und Tipps universell funktionieren. Zum Glück ist und bleibt ein Pferd ein Pferd, und es gilt Sparten-übergreifend die Skala der Ausbildung. Auch Dreigänger sind ja durchaus faszinierend, und wir können aus der Dressurarbeit viel übernehmen, aber mein Herz schlägt am Ende des Tages doch am stärksten für unsere tollen Pferde mit vier oder sogar fünf Gängen!
EYJA: Gerade war Weihnachten und vor uns liegt ein neues Jahr. Welchen Wunsch hast Du für 2025 bzw. welcher Vorsatz würde den meisten Reiterinnen und Reitern guttun? Worauf sollten wir also ganz allgemein mehr Wert legen?
Becky Heinrich: Ganz eindeutig auf mehr Geduld in der Ausbildung unserer Pferde. Die züchterische Qualität der Islandpferde ist enorm gestiegen in den letzten 20 Jahren, aber trotzdem hat man manchmal das Gefühl, als sei das alles nicht genug und als könnten wir nicht damit, was wir haben und was uns die Pferde bieten, in Ruhe leben und arbeiten … und einfach mal zufrieden sein, dieses Potenzial geduldig auszuschöpfen, indem wir erstmal lernen, mit besseren Gängen, aufwändigerer Mechanik und höheren Geschwindigkeiten gut umzugehen.
Ich finde, es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass wir nur so selten bereit sind, wirklich mit Ruhe, Sinn und Verstand innezuhalten. Alles muss schneller und schneller werden, „damit mich bloß niemand überholt“. Dabei muss ich mir auch ganz ausdrücklich selbst an die eigene Nase fassen und mich zu mehr Ruhe ermahnen. Natürlich gelingt das nicht immer, aber mir ist es stärker bewusst denn je, wie wichtig dieses Innehalten ist.
Wir selbst als Reiter, aber auch unsere Pferde sollen sich doch entwickeln können … und da erleben wir es leider, dass viele Menschen sich und ihrem Pferd nicht die Zeit geben, die sinnvoll und wertvoll wäre. Egal ob als Job, in der Freizeit oder im Sport, zwischen uns und unseren Pferden muss einfach in Ruhe etwas zusammenwachsen dürfen, damit wir dann auch die Früchte ernten dürfen. Gerade bei neuen Pferden ist das so. Ruhe und Geduld bedeuten ja nicht, dass man passiv abwarten soll, bis die goldenen Schleifen irgendwann vom Himmel fallen, aber man kann den Weg dahin mit sorgfältiger und nachhaltiger Ausbildung gemeinsam mit einem Trainer gut entwickeln.
Nun will ich auch nicht zu sehr mit dem mahnenden Zeigefinger wedeln, aber einen Kommentar muss ich noch loswerden: Social Media macht viel Stress und schürt nicht selten eine völlig falsche Erwartungshaltung. Alles muss schnell gehen, nicht immer ist alles echt, und die selbsternannten Vorbilder in ihrer virtuellen Welt sind manchmal schwierig. Das alles macht Druck, der sich, wenn man selber zu stark drinhängt, dann auch noch umso schneller multiplizieren kann. Da dürften wir in der Arbeit mit unseren Pferden und in der Freude am Reiten gern etwas mehr „offline“ und echt sein!
EYJA: Danke für diese ganz persönlichen Einblicke, Becky, und danke für Deinen Support der Viking Masters mit Deiner Gangwerkstatt …
Becky Heinrich: … super gern, ich freue mich, diese gigantische Idee unterstützen zu dürfen, dass wir uns bei den tollen Events treffen und austauschen können. Ich find’s super, dass wir schon im Winter eine solche Serie haben, wo man einzeln oder mit seinem Team teilnehmen kann, wo es Spannung gibt bis zum Finale im März. Das macht mir einfach ganz viel Spaß und ich freu’ mich drauf.